14.03.13 / 10.00–12.30 Uhr / 14.00–16.30 Uhr
15.03.13 / 10.00–12.30 Uhr / 14.00–16.30 Uhr
25.04.13 / 10.00–12.30 Uhr / 14.00–16.30 Uhr
26.04.13 / 10.00–12.30 Uhr / 14.00–16.30 Uhr
Universität / Haute École
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«Der Raum ist ein Geflecht von beweglichen Elementen. Er ist gewissermaßen von der Gesamtheit der Bewegungen erfüllt, die sich in ihm entfalten.» (Michel de Certeau)
Ungerichtet und nicht-linear sind die Bewegungen des Umherschweifens. Der Mensch lässt Körper und Geist durch Strassen, Gassen und über Plätze einfach treiben. Er bewegt sich durch Raum und Zeit und geniesst es «in der Masse zu hausen, im Wogenden, in den Bewegungen, im Flüchtigen und Unendlichen», so schrieb es einer der Erfinder dieser Leidenschaft, der Dichter Charles Baudelaire. Diese Eigenschaften charakterisieren die Figur des Flaneurs, der eine Errungenschaft der Moderne und damit des Lebens in den Grossstädten ist. Die Flaneure tauchten um 1840 in den Pariser Passagen auf. Sie schlenderten noch voller Musse, der wachsenden Geschwindigkeit des Lebens zum Trotz, mit Schildkröten durch die engen Schluchten der hohen Häuser. Damals gönnte man sich den Luxus, damit die Zeit zu vertreiben. Doch die Auswirkungen der Industrialisierung auf die Architektur der Städte und die sich darin entfaltende Hektik - heute würde man von Effizienz und Ökonomie sprechen - verwandelte die Müssiggänger - und das ist die andere Seite der Medaille - in einen «Mann der Menge», der Schweifen und immer Weiterziehen muss, um sein zu dürfen.
Wir befassen uns in dem Seminar mit dem Flaneur als Denkfigur, die uns aus historischer Perspektive erlaubt, die Gegenwart zu erfassen. Denn diese Form des absichtslosen Schwelgens im Moment hat in den vergangenen Jahrzehnten ein unglaubliches Revival erfahren. In der Kunst wird flaniert, promeniert und spaziert. Vorzugsweise sucht man dafür entlegene Orte, versteckte Winkel und die Niederrungen der Grossstädte auf: Industriebrachen, verlassene Häuser, Mülldeponien und ehemals heroische Orte wie Denkmäler und die ehemaligen Vorzeigebauten von Sozialismus und Kommunismus eignen sich hervorragend für die Promenadologie. In der einfachsten Bewegung des Menschen, in der anthropologischen Konstante des Gehens wurde Wissen erkannt – und das nicht ohne Grund. Hinter der Wiederbelebung der beschaulichen Zerstreuung in den urbanen Räumen der Städte verbirgt sich mehr als nur eine anachronistische Sehnsucht nach dem Flanieren.
In dem Seminar werden wir uns dem Flaneur als Denkfigur der Gegenwart anhand ausgewählter Texte annähern und künstlerische Positionen wie Christian Philipp Müller, Romuald Karmakar, Francis Alys u. a. diskutieren. Das Seminar dient als theoretische Vorbereitung für eine Exkursion im kommenden HS 2013/14, bei der wir mit Eric Ellingsen, aus dem Studio Eliasson, gehen werden. Er hat mit seinen «Making of Walks» über dreissig verschiedene Arten des Gehens entwickelt und führt uns an entlegene und desaströse Orte einer Grossstadt. Die Ergebnisse dieser Walk-Exkursion sollen als Exponate einer Ausstellung manifestiert werden.
Standort: Institut Kunst HGK / Pavillon H, Vogelsangstrasse 15, 4058 Basel